Vollstreckung trotz Restschuldbefreiung
Das Finanzgericht Baden-Württemberg setzte die Vollziehung einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung aus. Es hatte ernstliche Zweifel daran, dass eine ausländische Steuerschuld im Inland infolge eines Amtshilfeersuchens vollstreckt werden kann, obwohl dem Schuldner im Inland nach Abschluss des Insolvenzverfahrens Restschuldbefreiung erteilt worden ist.
Der Antragsteller, ein griechischer Staatsangehöriger, mit Wohnsitz im Inland betrieb 2002 eine Tankstelle in Griechenland. Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen wurde ihm 2013 Restschuldbefreiung erteilt. 2016 erhielt der Antragsgegner Finanzamt ein Ersuchen des griechischen Staats über Amtshilfe bei der Beitreibung von in Griechenland titulierten Forderungen gegen den Antragsteller (sog. einheitlicher Vollstreckungstitel). Der Vollstreckungstitel betraf im Wesentlichen eine 2002 entstandene und 2013 festgesetzte Forderung von fast 390.000 Euro wegen Hinterziehung von Umsatz- und Einkommensteuer. Daraufhin forderte das Finanzamt den Antragsteller erfolglos zur Zahlung des geforderten Betrags auf und erließ am 16. Juni 2016 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung für die Beitreibungsforderung. Der Antragsteller beantragte deren Aussetzung. Aufgrund der Restschuldbefreiung seien alle Forderungen sämtlicher Gläubiger untergegangen. Ihm lägen keine Steuerbescheide vor.
Das Finanzgericht setzte die Vollziehung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung aus. Das Finanzamt gehe zwar zu Recht davon aus, dass im Vollstreckungsstaat weder die Forderung noch der ursprüngliche Vollstreckungstitel noch dessen Bestätigung überprüft werden dürfe. Dies sei Sache des Ursprungsstaats nach dessen Rechtsordnung. Dies schließe jedoch keinen inländischen Rechtsschutz gegen die Vollstreckung selbst aus. Die anfechtbare Vollstreckungsmaßnahme sei die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 16. Juni 2016. Diese beruhe zwar auf einem Vollstreckungstitel des griechischen Fiskus und damit auf einem vollstreckbaren Verwaltungsakt. Doch der Vollstreckung könne die Restschuldbefreiung des Antragstellers entgegenstehen. Diese wirke gegen alle Insolvenzgläubiger, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner gehabt haben. Dies gelte auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. Mit Erteilung der Restschuldbefreiung sei eine Insolvenzforderung nicht mehr erzwingbar, eine Vollstreckung unzulässig. Diese Rechtswirkung binde auch ausländische Gläubiger. Die der Pfändung- und Einziehungsverfügung zugrunde liegenden Forderungen des griechischen Staats seien Insolvenzforderungen, da der zugrunde liegende Sachverhalt, der zur Entstehung der Steuerforderung geführt habe, bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden sei und zwar 2002 mit der gewerblichen Betätigung des Antragstellers.
(FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 01.12.2016 zu Beschluss vom 07.11.2016 - 1 V 2137/16)